Startpunkt Sehnsucht.

In den letzten Monaten konnten wir so vieles nicht tun, was wir „eigentlich“ vorgehabt hätten, was wir selbstverständlich getan hätten, was geplant war.

Es hat einige von uns Geduld gekostet und einiges an Frustrationstoleranz, um die neue Situation zu akzeptieren. Andere fühlen sich wie von einer Last befreit. Befreit von Terminen, Verpflichtungen. Wahlmöglichkeiten, angeblichen Must- Dos oder Must Sees. Plötzlich hatten wir unverplante Zeit in unseren Händen. Wie oft haben wir uns das in der Vergangenheit gewünscht?

In meinen Gesprächen stelle ich fest, dass uns die letzten Wochen sensibel gemacht haben, für das, was uns wichtig und was uns lieb ist. Und für das, was uns fehlt. Aber auch für das, was nicht mehr passend erscheint. Für das, was uns egal geworden ist. Für das, was wir nicht mehr wollen oder brauchen. Für das, was wir dringend brauchen.

Wir haben wieder gelernt uns zu sehnen, haben Sehnsucht gespürt. In einer Zeit, wo so vieles jederzeit verfügbar war, alles zumindest scheinbar möglich, hat uns die Zeit gezeigt, wo unsere Sehnsucht hingeht. Das waren vielleicht Menschen, die wir schmerzlich vermissten. Menschen, die es gibt, oder die es nicht mehr gibt in unserem Leben oder noch nicht.

Die Sehnsucht geht vielleicht gar nicht vollständig in das alte Leben zurück. Vielleicht wollen wir gar nicht, dass so alles wieder „Normal“ wird. Wir spüren ein Verlangen nach einem anderen Leben, zumindest in Teilen. Zum Beispiel im Beruf. Zurück ins Büro, zurück zur 5 Tage die Woche? Zu dieser Aufgabe? Zu diesem Vorgesetzten? Zu diesem Team? Nach diesen Wochen scheint das nicht allen attraktiv.

Vielen von uns ist die Diskrepanz, zwischen dem, wie es aktuell ist und wie es sein soll, klarer geworden. Und dieser Unterschied kann schmerzlich sein. Wir sind sensibler geworden.

Sensibel zu sein ist gut! Spannenderweise ist aber gerade diese Sensibilität der erste Schritt, um neu zu starten. Es gilt jetzt sensibel zu sein, für die Wünsche, die Sehnsüchte, die sich auftun. Es braucht unsere Aufmerksamkeit, um die Themen zu identifizieren, um die es gehen soll. Wohin gehen die Veränderungswünsche? Das sich Wünsche und Sehnsüchte neu melden, ist typisch für die Lebensmitte, also ab circa 40 Jahren. Es stellen sich Fragen neu, die wir schon beantwortet dachten. Ungewöhnliche Zeiten, wie die Corona Krise, können dies hervorrufen oder beschleunigen. Manchmal braucht es Wochen, bis man diese Wünsche tatsächlich artikulieren kann. Es hilft Gedanken schriftlich zu notieren, egal ob handschriftlich in einem Tagebuch, im Smartphone oder im Rechner.

Sortierarbeit steht an! Mit etwas zeitlichen Abstand solltest Du schauen, wie die Themen zusammenhängen, welche Themen wiederholen sich, was sind die konkreten Fragestellungen, die anstehen? Geht es darum, den Job zu wechseln? Ist die Aufgabe langweilig geworden? Trittst Du inhaltlich auf der Stelle und lernst nichts dazu? Hast Du Angst um Deinen Job?

Ein Zielbild entwickeln: Es geht aber nicht nur darum, von was man weg möchte, sondern auch wohin die neue Reise hingehen soll. Es braucht nicht nur ein „weg von hier“, sondern auch eine „hin zu etwas Bewegung“. Wie soll Deine (berufliche) Zukunft aussehen? Wie möchtest Du Dich fühlen? Welche Menschen umgeben Dich? Was macht ihr inhaltlich? Wie sieht der Tag aus? Wie wäre es gut?

Szenarien entwickeln: Es gibt in der Regel nicht nur ein Weg, um sein Zielbild zu erreichen. Es macht daher Sinn, in verschiedenen „Zukünften“ oder Szenarien zu denken. Auf den Job bezogen, muss es nicht immer gleich ein Wechsel des Arbeitgebers sein. Vielleicht geht es um eine Weiterbildung, oder darum um eine neue Aufgabe im Unternehmen übernehmen zu können. Vielleicht ist ein größerer Anteil von Home-Office gerade jetzt eine Chance, um weniger Zeit und Kraft mit den Arbeitswegen zu verplempern? Vielleicht möchte ich mich aber auch endlich selbständig machen- wie wäre das?

Aus Stolpersteinen Trittsteine machen: Was macht es schwer die Szenarien zu verfolgen? Welche Hindernisse stellen sich Dir in den Weg? Was hält Dich ab? Werde konkret bei der Beschreibung der Schwierigkeiten. Dann frag Dich: Wie könnte es dennoch gehen? Was müsstest Du möglicherweise aufgeben, verhandeln, herausfinden, koordinieren, damit dieser Stolperstein ein Trittstein auf Deinem Weg wird? Das ist eine kreative Arbeit, die Dich auffordert Deine Komfortzone zu verlassen.

Angst ernstnehmen, sich aber nicht davon lähmen lassen: Angst ist ein schlaues Gefühl. Es macht uns aufmerksamer für die möglichen Gefahren. Wovor will uns die Angst schützen? Worauf müssen wir also besonders achten? Wichtig ist, Angst oder Sorgen als Hinweis für die Gestaltung des Veränderungsweges zu verstehen. Ist für die Ängste gesorgt, fühlt man sich wieder bestärkt voran zu gehen.

Schritt für Schritt nach vorne gehen: Nach der Denkarbeit im Vorfeld solltest Du die ersten Schritte gehen. Gespräche führen, ein Fachbuch lesen, vielleicht hospitieren, einer Projektgruppe in der Firma beitreten, einen Kurs oder Weiterbildung belegen. Jeder Schritt bringt Erkenntnisse, die Dir helfen den nächsten, notwendigen Schritt zu erkennen und zu gehen. So entsteht langsam, aber sicher, Dein Weg zum Sehnsuchtsziel.  Rückblickend wirst Du verstehen, wie der Weg entstanden ist.

Stolz sein und Spaß haben: Sei ruhig ein bisschen stolz auf die Tatsache, dass Du Dich auf den Weg machst, Dir in der Lebensmitte selbst eine Zukunft zu bauen, nach der Du Dich sehnst. Habe Freude an Entdeckungen, lobe Dich für Deine Neugier und Deinen Mut, den es manchmal braucht. Nimm Rückschläge nicht zu ernst, sondern als Hinweis darauf, wie Du es besser oder anders machen kannst. Achte darauf, dass Du auf Deinem Weg Spaß hast.

Zu guter Letzt: Such Dir Weggefährten für Deinen Weg! Vielleicht hast Du ja Lust regelmäßig von mir zu hören und Gedankenanstöße, Tipps und Erfahrungen zur beruflichen Lebensmitte zu hören.

Wenn Du magst, dann hinterlasse Deine E-Mail Adresse hier rechts. Dann bekommst Du alle neuen Blogartikel und News zu den Online Kursen direkt von mir. Als Dankeschön bekommst Du (kostenlos) den Selbsttest „Reality Check“ Der Test ist ein guter Anfang, um aus einem diffusen Gefühl einen Aufbruch und Neuanfang zu machen. Trau Dich!

Herzlich,

Antje Gardyan

7 Gedanken zu „Startpunkt Sehnsucht.“

  1. Liebe Antje,

    dein Text holt den Leser sehr gut, nimmt ihn mit, regt zum Nachdenken an.
    Ich bin gespannt auf deine weiteren Artikel!

    Liebe Grüße
    Andrea

  2. Liebe Antje (ich sage jetzt einfach mal „DU“),

    vielen Dank für den wunderbaren Input. In diesem mehr oder weniger anstrengenden, aber auch spannenden Prozess der Veränderung in der Lebensmitte stellst Du einfach die richtigen Fragen! Das kann nicht jede(r). Oft empfinde ich Fragen als sehr viel hilfreicher als aus der Hüfte geschossene Ratschläge, wie sie – gut gemeint! – oft von Freunden kommen. Das Thema „Sehnsucht“ treibt mich um, daher vielen Dank. An der Orientierungswoche will ich unbedingt teilnehmen und bin schon sehr gespannt.

    Liebe Grüße von
    Carla

    1. Liebe Carla ;-)! Herzlichen Dank für Dein schönes Feedback! Vielleicht schreibe ich mal was zu Freunden als Gesprächspartner in der Lebensmitte… das ist wirklich ein Thema – vielen Dank für die Inspiration! Herzliche Grüße, Antje

      Liebe Alle,
      wer interessiert ist, welche Orientierungswoche Carla meint:
      gerne hier entlang: www. antjegardyan.de/Orientierungswoche .
      Die kostenlose Orientierungswoche findet schon im August statt. Also schnell mal vorbeischauen. Viele Grüße, Antje

      1. Liebe Antje,

        „Freunde als Gesprächspartner in der Lebensmitte“ – würde mir gefallen, wenn Du das Thema im Blog aufgreifst. Du hast es zwar schon in Deinem Buch – das ich hier allen mitlesenden Midlifern wärmstens ans Herz legen möchte – behandelt, wäre hier in diesem Medium aber sicher auch sehr gut aufgehoben. Dazu gäbe es Bände zu schreiben…
        Manche Freunde und vor allem auch Verwandte können ja überhaupt nicht nachvollziehen, warum man sich mit knapp über 50 noch nicht „angekommen“ fühlt…

        Liebe Grüße,
        Carla

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